Vielfaltsdimension "Soziale Herkunft" - im Podcast-Gespräch mit Prof. Dr. Jutta Allmendinger
Die soziale Herkunft spielt eine entscheidende Rolle für den Zugang und Erfolg in der Hochschulbildung. Häufig sehen sich Studierende aus unterschiedlichen sozialen Schichten mit strukturellen Herausforderungen konfrontiert, die ihren Bildungsweg erschweren. Themen wie finanzielle Unsicherheiten, das Fehlen und die schwere Zugänglichkeit von informellen Wissens und der Einfluss des Elternhauses auf die Bildungsentscheidungen sind dabei zentrale Faktoren. In Folge 2 des Podcasts „Selbstverständlich Vielfältig – Vielfalt an der Hochschule leben“ tauschen sich Paulina Fresow und Claudia Huber mit Prof. Dr. Jutta Allmendinger zur Vielfaltsdimension „Soziale Herkunft“ aus. Hören Sie hier die Podcastfolge oder lesen Sie nachfolgend die Zusammenfassung der wichtigen Aspekte und potenziellen Lösungsansätze, wie Hochschulen Chancengleichheit fördern können, die in der Folge besprochen werden.
Über Prof. Dr. Jutta Allmendinger
Prof. Dr. Jutta Allmendinger ist eine der bekanntesten und renommiertesten Soziologinnen Deutschlands. Sie ist seit 2007 Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin und war bis August 2024 Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Sie forscht insbesondere zu Themen der sozialen Ungleichheit und Fragen des Lebensverlaufs.
2020 wurde sie im Focus zu den Top 100 Frauen 2020 und 2013 mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet.
Gemeinsam in Kooperation mit DIE ZEIT und infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH hat sie im Rahmen der Vermächtnisstudie (2016 - 2019) erforscht, wie die Menschen die Zukunft sehen und wie sich unsere Gesellschaft weiterentwickeln wird.
Herausforderungen in der Hochschulbildung und Maßnahmen, diese zu überwinden
1. Finanzielle Barrieren abbauen
Viele Studierende sind weiterhin mit finanziellen Hürden konfrontiert, die ein Studium erschweren. Schon früh wird für manche der Zugang zur Hochschulbildung aufgrund von Kostensorgen eingeschränkt. Staatliche Unterstützungsprogramme wie BAföG und Stipendienangebote könnten transparenter und breiter zugänglich gemacht werden, um finanziell benachteiligte Studierende besser zu unterstützen und die notwendige finanzielle Basis schaffen, um ein Studium zu beginnen und erfolgreich abzuschließen.
2. Informelles Wissen zugänglich machen
An Hochschulen mangelt es oft an einer transparenten Weitergabe von informellem Wissen – jenen wertvollen Einblicken und Praktiken, die Studierenden mit akademisch geprägtem Familienhintergrund oft leichter zugänglich sind. Ein Beispiel dafür ist die Information darüber, wie wichtig es ist, schon während des Studiums wertvolle Netzwerke aufzubauen, sich aktiv Hilfe bei Professor*innen und wissenschaftlichen Mitarbeitenden einzuholen sowie Erwartungen abzufragen. Hochschulen sollten verstärkt auf eine transparente Wissensvermittlung setzen, um allen Studierenden gleiche Chancen zu bieten, sich mit informellen Regeln und Ressourcen vertraut zu machen. Eine Möglichkeit dies umzusetzen, wäre ein „Best Practice“-Guide für den Studienalltag.
3. Transparenz und Sicherheit in der akademischen Karriere schaffen
Der Weg zur Professur ist in Deutschland stark von der sozialen Herkunft geprägt. Eine unklare Perspektive auf eine langfristige akademische Karriere schreckt vor allem die Menschen ab, die nicht von Haus aus auf eine finanzielle Sicherheit zurückfallen können, sondern sich diese selbst erarbeiten müssen. Um in der akademischen Karriere die Pluralität und Zugänglichkeit für Menschen aus verschiedenen sozialen Hintergründen zu erhöhen, sollten Hochschulen für mehr Transparenz und Sicherheit sorgen, z. B. durch Tenure-Track-Modelle.
4. Stärker über Duale Studiengänge informieren
Duale Studiengänge bieten eine gute Möglichkeit, den Zugang zur Hochschulbildung durch eine Kombination aus Theorie und Praxis zu erleichtern, da Studierende parallel zum Studium praktische Berufserfahrung sammeln und ein Gehalt beziehen. Trotz des finanziellen Vorteils zeigt sich jedoch, dass die Existenz solcher Studienmodelle alleine nicht ausreicht, um die soziale Durchlässigkeit vollständig zu gewährleisten. Schüler*innen sollten bereits früh über unterschiedliche Hochschulformen und Studienmöglichkeiten informiert werden, damit sie überhaupt erstmal davon erfahren, dass ein Studium für sie – unabhängig von der sozialen Herkunft – in Frage kommen kann.
Hochschulen als Vorreiter einer inklusiven Gesellschaft
Die soziale Herkunft beeinflusst den Bildungsweg junger Menschen maßgeblich. Finanzielle Unterstützung, Transparenz beim informellen Wissen und gezielte Fördermaßnahmen sind entscheidende Hebel, um Studierenden unabhängig von ihrer sozialen Herkunft gleiche Chancen zu bieten. Eine inklusive Hochschule, die Talente erkennt und unabhängig von sozialen Voraussetzungen gleiche Chancen bietet, schafft eine Umgebung, in der akademischer Erfolg für alle möglich und akademische Exzellenz gefördert wird. So kann die Hochschulwelt einen entscheidenden Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft leisten.